Fulda - Weser und Loire

Donnerstag, 4. Juli 2013

Loire Teil II Orleans - Nantes

Wir lassen die letzten Regenwolken hinter uns, fahren über die A19 Richtung Orleans, nehmen als letzten Abschnitt eine Schnellstraße. Wir sind nun schon einige Tage unterwegs, aus einem hinteren Winkel Europas einige Tausend Kilometer mit dem Auto, einzig und allein,
um im Westen Frankreichs an die 300 km Fluss zu befahren, das wäre Angesichts des bedrohten Weltklimas bereits als egoistischer Luxus zu betrachten. Oder als Abenteuer, ohne Reisebüro, ohne Fremdenführer, mit mangelhafter Kenntnis von Landessprache, Sitten und Gepflogenheiten. Oder als Reise zu einem der naturbelassensten Groß-Flüsse in Europa, mit dem Vorsatz als Besucher der Wasserwelt den ökologischen Sandalenabdruck so gering wie möglich zu halten. Bei Orleans reißt der digitale Strom der deutschsprachigen Reisebeschreibungen und Streckenberichte im Internet ab, wird zum trockenen Rinnsal, eine Auffälligkeit, die stutzig macht. Woran mag das liegen? Ist der Abschnitt bis zum Atlantik etwa unattraktiv? Verschiedene Warnhinweise und Gerüchte ziehen durch meinen Hinterkopf, während unser Dieselgefährt den Ballast unserer Paddler-Träume neuen Ufern zuführt.
Und da ist es wieder - dieses hässliche Geräusch, das gar nicht sein dürfte! Ein langes sich steigerndes Quietschen der linken hinteren Bremse bei voller Fahrt auf der Autobahn! Mal da, dann wieder weg. Dabei war der Wagen vor der Reise extra beim Service, die Bremsen sollten bei relativ geringer Kilometerleistung noch ganz o.k sein. Und jetzt, voll bepackt auf Urlaubsreise, diese Quietscherei! Ein perfider Fall von geplanter Obsoleszenz?

Verärgert malträtiere ich Bremspedal und Handbremse, um die verklemmten Bremsbacken wieder zu lösen.
Endlich hört das Pfeifen nach einiger Zeit wieder auf - aber - es kommt immer wieder, nach fast jedem Bremsvorgang.
In Orleans müssen wir vielfach abbremsen und bei dem durchdringenden Quietschkonzert, welches der Renault in den Gassen veranstaltet, beschleicht mich peinliche Schadenfreude. Tut mir Leid für den Lärm, aber es handelt sich um ein korrekt gewartetes französisches Markenprodukt.


 Nebenbei gilt es die Nerven zu bewahren, um einen daheim gegoogelten Zeltplatz zu finden, ohne Stadtkarte und Navi, aus der Erinnerung, an sich kein Problem. Am Fluss muss er liegen, aber wo genau, da müssen wir uns erst herantasten. Quietschend umrunden wir das Zentrum und schleichen mit nervendem Schall die Uferpromenade entlang stromabwärts bis wir mit der Nase auf den Chapelle-Saint-Mesim Campingplatz km 641 stoßen.




Erleichtert stelle ich den Wagen ab, jetzt ist für zwei Wochen Ruhe, dann sehen wir weiter. Der Camping-Platz ist fast leer, im Vorjahr sind wir daran vorbei gepaddelt und haben bemerkt, dass er einige Meter über dem Wasser liegt, was für einen Autostandplatz ratsam ist. Das heurige Jahrhundert-Hochwasser ist in Deutschland und Österreich gerade erst im Abklingen.


In Ruhe stellen wir das Zelt auf und warten bis um 17.00 die Rezeption besetzt ist. Leider stinkt es penetrant nach dem Kanal des Hygienebereiches, aber wir sind froh gut angekommen zu sein. Der Platz wirbt für Wassersportler. Wir schlendern zur Accueil und erfahren dort von einem mitleidsvoll Englisch sprechenden Kerl, dass der Autostandplatz pro Tag leider 8,25 € kostet. Ja, das ist viel, das weiß er, aber das kann man leider nicht ändern. Wir gehen im Kreis, überlegen uns die Sache und bauen schließlich das Zelt wieder ab, um woanders unter zu kommen.



 Als Alternative bietet sich der Campingplatz von St. Ay km 648 an, nur mit dem Nachteil, dass er relativ knapp über dem Wasser liegt. Abgesehen davon ist es hier viel schöner, ruhiger, sauberer, Natur pur. Der Platzwart wirkt wie letztes Jahr ein wenig high, nimmt unser quietschendes Vehikel gern auf, zu einem erträglichen Standpreis. Das Auto wird am höchsten Punkt hinter einer Hecke versteckt. 

Wir erleben einen magischen Moment, denn ab jetzt scheint diese Tour genau in derselben Situation zu beginnen, wie wir sie letztes Jahr unterbrochen haben. Alles sieht exakt genauso aus wie vor einem Jahr, die Wiesen, die Waschräume, die Vegetation ist genau im gleichen Zustand, der Abends angedöselte Platzwart absolut unverändert, der Wasserstand der Loire ist identisch mit dem Tag, wo wir letztes Jahr unseren Kanadier aus dem Wasser gehoben haben, das Licht, die Gerüche am Ufer, die Temperatur, Feuchtigkeit der Luft, die Geräusche der Natur, alles gleich. Es ist sich so, als wäre vor einem Jahr gestern gewesen.

Wir spüren, dass wir endlich angekommen sind, im grünen Labsal, am Ufer der sanften Loire.



























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